26. März 2020
Wo bleibt die Aura des Originals* in digitalen Zeiten?
Die Kunst ist flach geworden und der Bildschirm spiegelt die Fenster unseres Homeoffice. In Zeiten des «Corona Lockdowns» müssen wir notgedrungen unsere Ansprüche auf das Betrachten am Monitor zurückschrauben. Viel von der ursprünglichen Aura des Original Werkes bleibt nicht übrig.
Werden sich die Leute daran gewöhnen? Junge haben offensichtlich weniger Probleme damit, sie sind besser gewohnt, Bilder auf einem Monitor zu betrachten. Das Sehen wandelt sich. Auch die Art Basel hat nun sogenannte Viewing Rooms eingerichtet. Im Wesentlichen eine statische Bildbetrachtung am Bildschirm, sortiert nach Galerie. Möglicherweise im Hinblick darauf, dass die Messe verschoben oder nicht stattfinden kann.
https://www.artbasel.com/viewing-rooms
Gibt es andere Möglichkeiten, etwas von der Aura in die digitale Welt hinüber zu retten? Vor einem Jahr habe ich solche Fragen im Rahmen meiner Masterthesis an der Uni Zürich untersucht. Natürlich nicht infolge der Pandemie, sondern in Anbetracht der sich rasant entwickelnden, neuen digitalen Möglichkeiten. Kurz zusammengefasst; neue digitale Darstellungsmöglichkeiten für Kunst sind in Entwicklung. Die Gaming-Industrie spielt dabei eine Vorreiterrolle. Die Auflösung der Bildschirme wird stetig besser, die einzelnen Bildpunkte sind von blossem Auge nicht mehr erkennbar. Bildschirme mit dreidimensionalen Darstellungs-Effekten werden in den nächsten Jahren erhältlich werden. Skulpturen könnten mit holographischen Abspielgeräten räumlich projiziert werden. Die Technik macht grosse Fortschritte. Dinge, die wir uns vor zehn Jahren nicht hatten vorstellen können, sind heute im täglichen Gebrauch. Im Jahre 2030 werden wir über die Bildschirme von heute lachen. Wir werden der Aura näherkommen – aber das Original bleibt das Original. Eine Ölmalerei, frisch, noch nach Farbe duftend wird niemals durch noch so raffinierte Technik zu ersetzen sein. Die Faszination, das Original zu besitzen wird auch in Zukunft echte Kunstsammler/innen in den Bann ziehen und begeistern. Die physische Kunstwelt der Originale in den Museen, in den Galerien, den Auktionen wird es auch in ferner Zukunft geben.
Wir sollten jedoch die spannenden Möglichkeiten, die durch neue, digitale Techniken entstehen werden, nicht ausser Acht lassen. Daraus könnte ein völlig neuer Kunstmarkt entstehen, die sogenannte «consumable Art». Dazu ein anderes Mal mehr.
* Aura ist ein von Walter Benjamin in eigener Definition verwendeter Begriff, dessen Phänomen er sowohl in der Natur als auch in der Kunst sieht. Seine bekanntesten Ausführungen dazu hat er in dem 1935 erschienenen Aufsatz «Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit» vorgenommen und sie als einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag definiert. Quelle