Urs Stooss
Maler und Zeichner. Innenarchitekt.
Lebt und arbeitet in Bern.
Ausstellung bei da Mihi
2024 – Urs Stooss mit neuen Werken (1. Nov. - 14. Dez.)
2022 – Urs Stooss, Text zur Ausstellung
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Abbildung: Urs Stooss, «Peyton Place»,
2024, Pigmentdruck und Acryl auf Leinwand, 110 x 80 cm
Fotos: Dominique Uldry
Urs Stooss – Orte / Zeiten
1. November bis 14. Dezember 2024
Wir freuen uns sehr, Sie zur zweiten Ausstellung von Urs Stooss in die Galerie einzuladen. Seinen Themen bleibt er treu: den Menschen, ihren Behausungen und gelegentlich ihren Tieren. Uns fasziniert, wie Stooss seine zufälligen Fotos, die im Sinne der Street-Photography entstehen, in finale Werke verwandelt. Während des komplexen Verfahrens platziert der Künstler seine Protagonisten wie ein Regisseur und erzeugt damit verschiedenste Stimmungen, die den Betrachtenden eine eigene Interpretation ermöglichen. Kommen
Sie vorbei und entdecken Sie Klassiker und überraschende Neuigkeiten.
Wir laden Sie herzlich ein!
Vernissage
Freitag, 1. November, 18.00 - 20.00 Uhr, Kurzeinführung um 18.30 Uhr
Der Künstler ist anwesend
Samstag, 2., 9., 16. und 23. November, 14.00 - 17.00 Uhr
Sonntag, 1. Dezember, 14.00 - 17 00 Uhr
Erster Advent in der Unteren Altstadt Bern
Sonntag, 1. Dezember, 11.00 - 17.00 Uhr
Finissage
Samstag, 14. Dezember, 14.00 - 17.00 Uhr
Der Berner Künstler Urs Stooss ist ein malender Street-Fotograf. Er durchstreift Strassen, Plätze und Strände stets auf der Suche nach einem erhöhten Standpunkt, von dem aus er seine Motive aus der Vogelperspektive ablichten kann – Menschen, die er möglichst unbemerkt fotografiert. Dafür klettert er auf Gebäude und Balkone, erklimmt Türme oder andere Aussichtspunkte und bringt seine Kamera in Stellung. Auf seinen fotografischen Streifzügen rund um die Welt hat Stooss eine riesige Bilddatenbank aufgebaut, geordnet nach Orten und Zeiten, die ständig erweitert wird.
Im Atelier wertet er die Aufnahmen aus und beginnt seine einzigartige Bildkomposition. Zunächst auf dem Bildschirm arrangiert Stooss die Menschen, mal in Gruppen, mal einzeln, die sich zu neuen Formationen zusammenfinden; sie spielen, fahren Rad oder gehen spazieren. Wie ein Regisseur auf einem Filmset platziert er seine Figuren in der Komposition. Durch das Blow-up, die Vergrösserung, verlieren sie ihre individuellen Merkmale; reduziert auf Körperhaltung und Umrisse, bleibt allein die menschliche Bewegung charakteristisch. So überträgt er sie auf Leinwände mit edlem Gold-, Silber- oder Perlmuttgrund – nur die Schatten begleiten die Figuren.
Sein Werk steht in der Tradition des Flâneurs, jedoch mit einer deutlich transformierten Perspektive. Während sich Charles Baudelaire in seiner Dichtung als «Botaniker des Boulevards» verstand und seine Beobachtungen wie unter einem Mikroskop sezierte, wählt Urs Stooss den Blick von oben, löst seine Sujets aus ihrem ursprünglichen Kontext und versetzt sie in eine neuartige Realität. Darüber hinaus knüpft er an ikonisch gewordene Figurenkonstellationen an, die seit den Impressionisten bis in die zeitgenössische Kunst hinein ein zentrales Motiv geblieben sind. Sein « Déjeuner sur l’herbe» knüpft locker an Édouard Manets Meisterwerk an und bleibt doch ganz dem eigenen künstlerischen Ausdruck verbunden. Formal orientiert sich Stooss eher an angelsächsischen Malern wie Edward Hopper oder Wayne Thiebaud und insbesondere an der amerikanischen Street-Photography.
Der Kultfilm «Blow- Up», ein Thriller aus dem Jahre 1966 von Michelangelo Antonioni, hat nach eigenen Angaben des Künstlers ebenso einen massgeblichen Einfluss auf ihn ausgeübt: Ein zunehmend von der Modefotografie als künstliche Realität ernüchterter Fotograf beginnt einen Bildband mit Strassenfotografie. Bei seinen Streifzügen fotografiert er ein sich küssendes Paar. Beim Entwickeln des Filmes in der Dunkelkammer entdeckt er eine geheimnisvolle Hand mit Revolver und einen toten Mann im Gebüsch. Erst der Blow-up fördert im Film das Verbrechen zutage. Fotografie als Spiel der Realitätsebenen, das beherrscht auch Stooss. Doch bei ihm bedeutet Blow-up nicht Erkennen, sondern Verlust von Identität.
Dann erst entfaltet sich die Magie seiner Malerei und emanzipiert sich von der fotografischen Vorlage. Stooss nimmt seine künstlerischen Mittel ernst: Besonders hervorzuheben ist die Behandlung der Schatten, die eine wichtige Rolle in der Bildkomposition spielen und eine effektvolle Tiefenwirkung erzeugen. Die Figuren erscheinen leicht verschwommen, die lasierende Farbgebung ihrer Kleidung lässt lediglich Rückschlüsse auf Geschlecht oder Alter zu. Jahreszeiten oder geografische Verortungen der Szene bleiben angedeutet. Auch im Bildgrund zeigt sich die Meisterschaft von Urs Stooss: Seine monochromen Leinwände negieren jeglichen Raum ausserhalb des Bildes und lassen keine Hinweise auf Orte, Architektur oder Landschaften zu. Der Künstler kreiert so einen anonymen Raum mit unfassbaren Dimensionen. Die Wirkung der Bildgrundfarben Gold, Silber und Perlmutt entdeckte Stooss in Rom während eines Studienaufenthaltes in den 1970er Jahren. Seitdem verwendet er diese edlen Töne, die er selbst mit Pigmenten und Bindemitteln herstellt, um Spiegelungen und Reflexionen mit Tiefenwirkung zu erzeugen.
Parallel zu den neuesten Arbeiten von Urs Stooss präsentieren wir eine Einzelausstellung von Marie-Françoise Robert. Sie verbindet eine langjährige Bekanntschaft, denn ihre Wege haben sich an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder gekreuzt.
Bei den jüngsten Atelierbesuchen von Stooss und Robert tauchten die Beiden in eine gemeinsame Zeit im Kunstmuseum Bern ein. Dabei erinnerten sie sich an die Atmosphäre und den Charakter des Museums damals sowie an die Entstehung und Bedeutung der gezeigten Ausstellungen. Urs Stooss arbeitete zu dieser Zeit als Graphic Designer und Marie-Françoise Robert als Assistentin (früher Sekretärin). Sie erzählten von der aussergewöhnlichen Zusammenarbeit mit Jürgen Glaesemer, der als Konservator die Grafische Sammlung und die Paul Klee-Stiftung leitete. Mit einem kleinen, aber engagierten Team realisierten sie beeindruckende Ausstellungen wie «Der junge Picasso – Frühwerk und blaue Periode» (1984), «Traum und Wahrheit. Deutsche Romantik aus Museen der Deutschen Demokratischen Republik (1985)» oder «Die Gleichzeitigkeit des Anderen» (1987). Diese gemeinsame Zeit im Kunstmuseum Bern hat einen reichen Erfahrungsschatz hinterlassen, der die beiden Einzelausstellungen in der Galerie da Mihi auf eine tiefere, emotionale Weise miteinander verbindet.
Urs Stooss wurde 1943 in Bern geboren und liess sich in Genf zum Innenarchitekten ausbilden. Seit 1970 ist er als freischaffender Künstler tätig. Seine Werke sind regelmässig in Ausstellungen zu sehen und in bedeutenden öffentlichen Sammlungen vertreten. Stooss wurde 1972 mit dem Aeschlimann Corti-Stipendium der Stadt Bern und 1971, 1973 und 1976 mit dem Eidgenössischen Kunststipendium ausgezeichnet.
Hans Ryser und Barbara Marbot
Einblicke in die Ausstellung 2022