Marie-Françoise Robert
Collagistin
*1939 in La Chaux-de-Fonds. Lebt und arbeitet in Bern.
Ausstellungen bei da Mihi
2024 – Orte / Zeiten (1. November bis 14. Dezember 2024)
2022 – Von Fischen und Planeten – Text zur Ausstellung
SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz
Webseite Marie-Françoise Robert
Abbildung: Marie-Françoise Robert,
«Ohne Titel», 2024, Mischtechnik (u.a. Collage) auf Papier, 56 x 42 cm
Marie-Françoise Robert – Orte / Zeiten
1. November bis 14. Dezember 2024
Nach dem Erfolg der Monografie «Lebenszeichen» und der ersten Ausstellung von Marie-Françoise Robert bei da Mihi (2022) freuen wir uns sehr auf ihre neuesten Collagen. Diese Werke offenbaren eine eigene Realität jenseits der oft belastenden Aktualität. So rückt das Skurrile und Geheimnisvolle in den Vordergrund, denn Robert zeigt, was sie an der aktuellen Welt vermisst: Poesie und die Freude am Rätselhaften. Ihre Collagen setzen Orte und Zeiten in überraschende Bezüge, die ein Kopfkino aktivieren und zum Träumen einladen.
Wir laden Sie herzlich ein!
Vernissage
Freitag, 1. November, 18.00 - 20.00 Uhr, Kurzeinführung um 18.30 Uhr
Die Künstlerin ist anwesend
Samstag, 2., 9., 16. und 23. November, 14.00 - 17.00 Uhr
Sonntag, 1. Dezember, 14.00 - 17 00 Uhr
Erster Advent in der Unteren Altstadt Bern
Sonntag, 1. Dezember, 11.00 - 17.00 Uhr
Finissage
Samstag, 14. Dezember, 14.00 - 17.00 Uhr
Skurrile und surreale Szenerien sind eine Spezialität von Marie-Françoise Robert, das macht die Collage der Einladungskarte deutlich. Eine elegant gekleidete Dame tritt aus einem hellen Handschuh heraus, der inmitten eines Flusses steht. Die Szene spielt sich vor einer sepiafarbenen Landschaft ab. Am rechten Bildrand schreitet eine Gruppe von Personen in Richtung des Flusses. Die teils historische Darstellung legt eine Spur zu Friedrich Schillers «Der Handschuh». Doch die elegante Dame im schicken, roten Kleid ist wohl nicht die kecke Kunigunde, die von ihrem Ritter den ultimativen Liebesbeweis forderte und ihn herzlos in die Löwengrube schickte? Der cremefarbene Handschuh ähnelt nämlich dem Kunstobjekt, das Meret Oppenheim 1985 geschaffen hat und das in der bekannten Kunstzeitschrift Parkett 4/1985 als Multiple herausgegeben wurde. Roberts Collage eröffnet uns Betrachtenden vielfältige Möglichkeiten der Interpretation und regt unsere
Fantasie an.
Eine weitere Collage zeigt eine antike Bibliothek, die aus einem Harry Potter Film stammen könnte. Über ihr erscheint eine riesige Gestalt, nur das Gesicht und die Augen sind sichtbar, das Haar geht über in ein Gebirgsrelief. Die blauen Augen wachen über die Bibliothek. Ist der Blick liebevoll oder kritisch? Und dann sind da noch die Kugeln, die gleichsam schweben. Die Glaskugeln erinnern an das Gemälde «Salvator mundi» von Leonardo da Vinci. Was spiegelt sich da? In der Collage von Robert sind es Verkehrsschilder, lauter Einbahnstrassen. Ist es eine Aufforderung, unser über die Jahrhunderte gewachsenes, in Schriften abgelegtes Wissen zu bewahren, aber auch zu hinterfragen?
Ein anderes Werk stellt eine Wabe ins Zentrum. Doch statt Bienen finden wir emsiges Treiben in der Häuserschlucht der Grossstadt. Die verlassene Wabe ergiesst sich über alte, goldene Schmuckstücke, die mit Rubinen und anderen Edelsteinen verziert sind. Sollen wir das als Metapher für die Kostbarkeit der Natur lesen? Nimmt sich die Natur ihren durch den Menschen eingeschränkten Lebensraum zurück und wer bedroht hier wen?
In der kleinen feinen Ausstellung zeigt Marie-Françoise Robert neue Arbeiten, die in der Stimmung und im Kontext eines Tages geboren werden, ähnlich wie Tagebucheinträge doch in der visuellen geheimnisvollen Sprache der Künstlerin.
Parallel zu den neuesten Arbeiten von Robert präsentieren wir eine Einzelausstellung von Urs Stooss. Die beiden verbindet eine langjährige Bekanntschaft und ihre Wege haben sich an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder gekreuzt.
Bei den jüngsten Atelierbesuchen bei Marie-Françoise und Urs tauchten die Beiden in eine gemeinsame Zeit im Kunstmuseum Bern ein. Dabei erinnerten sie sich an die Atmosphäre und den Charakter des Museums damals sowie an die Entstehung und Bedeutung der gezeigten Ausstellungen. Sie arbeitete zu dieser Zeit als Assistentin (früher Sekretärin), während er als Graphic Designer tätig war. Sie erzählten von der aussergewöhnlichen Zusammenarbeit mit Jürgen Glaesemer, der als Konservator die Grafische Sammlung und die Paul Klee-Stiftung leitete. Mit einem kleinen, aber engagierten Team realisierten sie beeindruckende Ausstellungen wie «Der junge Picasso – Frühwerk und blaue Periode» (1984), «Traum und Wahrheit. Deutsche Romantik aus Museen der Deutschen Demokratischen Republik (1985)» oder «Die Gleichzeitigkeit des Anderen» (1987). Diese gemeinsame Zeit im Kunstmuseum Bern hat einen reichen Erfahrungsschatz hinterlassen, der die beiden Einzelausstellungen in der Galerie da Mihi auf eine tiefe, emotionale Weise miteinander verbindet.
Marie-Françoise Robert, 1939 in La Chaux-de-Fonds geboren, entwickelte ihren unverwechselbaren Stil, der tief in der Technik der Collage verwurzelt ist. Seit den 1980er Jahren setzt sie sich intensiv mit dieser Kunstform auseinander. Roberts kreativer Prozess ist geprägt von akribischer Sorgfalt: Bildmaterial aus Zeitschriften, naturwissenschaftlichen Bildbänden und Kunstpublikationen wird gesammelt und archiviert. Dies bildet die Basis für ihre komplexen Werkserien, wie «Metamorphosen» und «Bestiarien» (2013-2014), die die Verschmelzung von Mensch und Tier thematisieren. Auch ihre Arbeiten zu Porträts (2008-2012) und Träumen (2011-2012) zeigen ihre tiefgründige Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz. Robert erweitert ihre Collagen oft durch gemalte und gezeichnete Elemente, die nahtlos in die komponierten Bilder übergehen. Diese Technik erlaubt es ihr, unterschiedliche Realitätsebenen zu verschmelzen, und eröffnet den Betrachtenden eine Welt, in der das Leben als ein Mosaik aus Fragmenten und Bedeutungen erscheint. Für Marie-Françoise Robert ist das Leben selbst die vielschichtigste, schrecklichste und zugleich meisterhafteste Collage – ein Werk, das ständig im Wandel ist und das sie in ihrer Kunst auf einzigartige Weise einfängt.
Wir laden Sie herzlich ein, die beiden Ausstellungen anzuschauen.
Barbara Marbot und Hans Ryser
Einblicke in die Ausstellung 2022
Fotos: Markus Beyeler